Biocomputing – AG Stephan Reinert

Lebensmittelsicherheit, Verbraucherwünsche, und die zunehmend Gefahren durch die globale Klimaveränderung motivieren Pflanzenzüchter rasch umsetzbare und effiziente Wege zu finden, neue Kultursorten zu entwickeln. Deshalb ist es von höchster Bedeutung ein genaues und tiefgehendes Wissen über die abiotische Stresstoleranz und den zugrundeliegenden genetischen Faktoren zu erhalten, um neue Ansätze zur Optimierung von Nutzpflanzen zu entwickeln. Das Ziel unserer Forschung ist die Analyse verschiedener Nutzpflanzen, um Kandidatengene, allelische Variationen und genetische Marker zu entdecken, welche mit agronomisch wichtigen Merkmalen assoziiert sind. Mit diesem Wissen können wir gezielt Anbauerträge, Qualität und Nachhaltigkeit verbessern. Um dies zu erreichen, setzen wir moderne statistische und bioinformatische Methoden aus den Bereichen der quantitativen und Populationsgenetik ein. Mit Hilfe dieser Methoden sind wir in der Lage Datensätzen aus Genomik, Transkriptomik, Metabolomik und Phänomik zusammenzuführen, um eine ganzheitliche Analyse zu ermöglichen. Dies erlaubt uns, genregulatorische Netzwerke und die genetischen Komponenten komplexer Merkmale zu identifizieren und neue Ansätze für die molekulare Züchtung zu erarbeiten.

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Forschungsgebiet:

Aktuell arbeiten wir in zwei Hauptprojekten an der Verbesserung wichtiger stärkeproduzierender Nutzpflanzen:

1) Verbesserung von Ertragsparametern von Cassava (Manihot esculenta)

Cassava (Manihot esculenta) ist ein Strauchgewächs, welches stärkehaltige unterirdische Speicherwurzeln entwickelt. Cassava zählt als eine der wichtigsten Nutzpflanzen weltweit, besonders in den tropischen und subtropischen der Erde. Obwohl Cassava als eine der wichtigsten Grundnahrungsmittelpflanzen für mehr als 800 Millionen Menschen in den Amerikas, Afrika und Asien zählt, wird Cassave hauptsächlich von Kleinbauern angebaut. Aufgrund des begrenzten Zugangs zu modernen landwirtschaftlichen Geräten und Chemikalien, wie Landmaschinen, Dünger und Pestiziden sind Kleinbauern abhängig von Pflanzen, die selbst unter suboptimalen Bedingungen hohe Erträge erzielen. Aus diesem Grund fokussiert sich unsere Forschung, als Teil des Cassava Source-Sink (CASS)-Projektes, auf die Entwicklung resistenter sowie ertragsoptimierter Cassavasorten, welche wir subsaharischen Kleinbauern in Afrika zur Verfügung stellen wollen, um die Grundernährung sicherstellen zu können.

Unglücklicherweise ist die konventionelle Züchtung von Cassava sehr zeitintensiv. Außerdem braucht es oft viele Jahre, bis eine verbesserte Cassavasorte marktreif ist. Aus diesem Grund arbeiten wir, als bioinformatischer Projektpartner des CASS-Projekts, daran, den konventionellen Prozess der Cassavazüchtung unter der Verwendung verschiedenster bioinformatischer Methoden zu beschleunigen. Hierfür verwenden wir modernste „Omics“-Technologien wie Transkriptomik, Genomik, expressionsbasierte genomeweite Assoziationsstudien (eGWAS), transkriptomweite Assoziationsstudien (TWAS) sowie vergleichende Analysen (Clustering-, Assoziations-, Regressions- und Dimensionsreduktions-Methoden). Im Rahmen dieser Analysen sind wir besonders an agronomischen, agro-morphologischen und biotischen/abiotischen Resistenzmerkmalen interessiert.

Als Teil des CASS-Projektes pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen:

  •   Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Zürich, Schweiz.
  •   International Institute of Tropical Agriculture (IITA), Ibadan, Nigeria.
  •   National Root Crops Research Institute (NRCRI), Umudike, Nigeria.
  •   Institut für Bio- und Geowissenschaften, Forschungszentrum Jülich, Deutschland.
  •   Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie, Golm, Deutschland.
  •   Technische Universität Kaiserslautern, Germany.
  •   University of Cambridge, UK.
  •   University of Helsinki, Finnland.
  •   Boyce Thompson Institute for Plant Research, Cornell University Campus, Ithaca, NY, USA.

2) Verbesserung der Hitzetoleranz von Kartoffel (Solanum tuberosum)

Kartoffel zählt als eine der wichtigsten Nutzpflanzen weltweit und liegt lediglich hinter den Getreiden Reis und Weizen. Aufgrund des bisher kontinuierlichen globalen Ertragsanstiegs wird Kartoffel den essenziellen Grundnahrungsmittelpflanzen zugeordnet. Die modernen Kartoffelkultursorten stammen ursprünglich aus den Andenregionen Südamerikas zwischen Bolivien und Peru. Wilde Kartoffel wurde vor ca. 8000 Jahren domestiziert. Allerdings wurden die ersten Kultursorten von Kartoffel erst in den 1570er nach Europa gebracht und haben sich dann von dort im späten 17. Jahrhundert weltweit verbreitet. Heute wird domestizierte Kartoffel weltweit, zwischen den Breitengraden 65°N bis 50°S, angebaut und kann selbst in Höhenlagen von bis zu 4000 m wachsen. Dies zeigt die immense Anpassungsfähigkeit zu verschiedensten Umweltbedingungen von Kartoffel. Trotz dieser besonderen Anpassungsfähigkeit weist Kartoffel eine hohe Sensitivität gegenüber Hitze und Trockenheit auf. Im Besonderen führen hohe Temperaturen (über 20°C) zu einer Reduktion der Knollenbildung und haben damit einen negativen Einfluss auf den Ertrag.

Aus diesem Grund ist unser Ziel die Analyse von verschiedenen Kartoffelsorten unter kontrollierten und hitzegestressten Bedingungen, um genomische Bereiche zu identifizieren die mit einer Toleranz zu Hitze assoziiert sind. Dies ermöglicht uns die Detektion von potenziellen Kandidatengenen zur Verbesserung der Hitzetoleranz von modernen Kartoffelsorten. Hierfür analysieren wir genotypische und phänotypische Informationen von mehr als 250 verschiedenen Kartoffelsorten und korrelieren diese Informationen unter Zuhilfenahme gemischter linearer Modelle (MLM). Diese Methode ist bekannt als genomeweite Assoziationskartierung (GWAS). Eine GWAS ermöglicht die Korrelation von phänotypischen und genotypischen Datensätzen zur Identifikation von Genombereichen, die mit einer spezifischen Merkmalsausprägung assoziiert sind. In unserm Kartoffelprojekt sind wir besonders an den agronomischen Merkmalen Stärkegehalt in Knollen und Ertrag unter Hitzestress interessiert. Unter der Zuhilfenahme von GWAS mit unseren genotypischen und phänotypischen Informationen von den über 250 Kartoffelsorten sind wir in der Lage wichtige potenzielle Kandidatengene zu detektieren, die eine Verbesserung der Hitzetoleranz in Kartoffel erzeugen. Durch die Verwendung dieser potenziellen Kandidatengene in Transkriptom- und Genstrukturanalysen versuchen wir die zugrundeliegenden genetischen Mechanismen und Faktoren der Hitzetoleranz in Kartoffel besser zu verstehen und können diese dann Kartoffelzüchtern als neue Ziele für ihre Zuchtprogramme präsentieren.

Im Rahmen unseren Kartoffelprojektes kollaborieren wir mit verschiedenen Kartoffelzüchtern, Industriepartnern und Forschungseinrichtungen:

  •   Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising, Deutschland.
  •   Bavaria Saat, Schrobenhausen, Deutschland.
  •   Saatzucht Firlbeck, Atting, Deutschland.
  •   Südstärke, Schrobenhausen, Deutschland.
  •   Vermarktungsgesellschaft Bio-Bauern mbH, Pöttmes, Deutschland.
  •   Landesverband der Saatkartoffel-Erzeugervereinigung in Bayern e.V, Freising, Deutschland.